Kaum noch Hoffnung auf Überlebende nach Erdbeben in Marokko

Rabat (dpa) – In Marokko gehen die Rettungsarbeiten drei Tage nach dem schweren Erdbeben weiter. Im Dorf Talaat N’Yakoub suchen Helfer verzweifelt nach vermissten Menschen. Eine Frau ist unter einem Haus begraben, dessen Fassade fast horizontal auf den Trümmern liegt. Ein Helfer drückt mit aller Kraft auf den Bolzenschneider, bis sich schließlich ein Stück Metall und mit ihm ein störendes Stück Beton löst.

So können die Helfer endlich näher an sie herankommen. „Atifa, Atifa?“ sie schreien weiter. Doch die Frau antwortet nicht. Endlich sind wir sicher: Das Verschüttete ist tot. Die Retter berichten, dass sie Sand im Gesicht und auf der Nase hatte. Möglicherweise ist sie erstickt.

Eine Straße weiter ein ähnliches Bild. Retter arbeiten in der sengenden Sonne, um die Leiche eines 24-Jährigen zu bergen. Sein Bruder steht fassungslos vor dem Trümmerhaufen des Familienhauses.

Das Zeitfenster schließt sich

Noch immer liegen in der Gegend viele weitere Menschen unter den Trümmern. Ein süßer, beißender Geruch der begrabenen Toten liegt in der Luft. Nach Angaben der Einsatzkräfte kamen im Dorf mehr als 300 Menschen ums Leben. Gibt es eine Chance, Überlebende zu finden? Ein Helfer des Roten Halbmonds in Marokko blickt sehr skeptisch. Experten zufolge können Menschen maximal 72 Stunden ohne Wasser auskommen. Das Zeitfenster schließt sich. Das Beben der Stärke 6,8 ereignete sich am späten Freitagabend (Ortszeit). Nach Angaben des marokkanischen Innenministeriums wurden bis Montag im gesamten Katastrophengebiet 2.497 Todesfälle gemeldet.

In Talaat N’Yakoub, etwa zweieinhalb Autostunden südlich von Marrakesch, stehen nur noch wenige Gebäude – und die meisten davon stehen schief. Anwohner führen Journalisten und private Helfer über riesige Trümmerberge. Kabel hängen und liegen auf dem Boden.

„So etwas habe ich noch nie gesehen“, sagt Helfer Hassan Ameskao. Der 30-Jährige kommt aus einer Stadt in der Nähe von Marrakesch und reist auf eigene Faust durch die Gegend, um Lebensmittel und Wasser zu verteilen. Gemeinsam mit Verwandten und Bekannten sammelte er hierfür Spenden. Das Beben war das schlimmste im Land seit Jahrzehnten. Mindestens 2.476 Menschen seien verletzt worden, teilte das marokkanische Innenministerium am Montag mit.

„Wir brauchen dringend mehr Rettungskräfte“

Riesige Steine ​​und Felsbrocken stapeln sich am Straßenrand und Bagger räumen sie nach und nach von der Straße. Viele Autos, die durch die Straßen fahren, sind mit Hilfsgütern beladen. Die privaten Helfer haben Lebensmittel, Matratzen und Decken bis zum Dach – und manchmal auch darüber – gestapelt.

„Wir brauchen hier dringend mehr Rettungskräfte“, betont Ameskao, der eigentlich als Lehrer arbeitet. Noch immer sind viele Orte von der Außenwelt abgeschnitten. Deutschland hat Marokko am Montag erneut Unterstützung angeboten. Bereits am Samstag hatte die Bundesregierung ein Angebot gemacht, dem Technischen Hilfswerk (THW) bei der Bergung von Verletzten und Toten zu helfen. Allerdings hatte die Regierung in Rabat daran kein Interesse gezeigt.

Gegen Mittag gelang es den Rettungskräften in Talaat N’Yakoub schließlich, Atifa zu befreien. Die Helfer tragen ihre Leiche zu einem Leichentransporter.

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